Themenfelder der Arbeitsstelle
Theologische Grundlagen der kirchlichen Gemeinwesenorientierung
Theologische Grundlagen der kirchlichen Gemeinwesenorientierung. Die Orientierung der kirchlichen Arbeit am Gemeinwesen wurde schon in den 1960er Jahren programmatisch gefordert und findet sich sogar schon im 16. Jahrhundert bei Johannes Bugenhagen. Damit ist jedoch ihre theologische Begründung nicht obsolet. Wer in der Kirche und in Kirchengemeinden Verantwortung übernimmt, wird über die Schwerpunkte der dortigen Arbeit theologisch rechenschaftsfähig sein müssen. Angesichts begrenzter zeitlicher Ressourcen bedeutet oft, das eine zu tun, etwas anderes zu lassen. Darum ist es wichtig, theologische Gründe für eine Gemeinwesenorientierung der kirchlichen Arbeit aufzuzeigen. Dabei scheint es für die Unterstützung der praktischen Arbeit hilfreich zu sein, nicht ein einziges Begründungsmodell zu entwickeln, sondern unterschiedliche Begründungsmodelle zu beschreiben, die in der Vergangenheit entwickelt wurden. So können Interessierte unterschiedlicher theologischer Prägungen fündig werden. Bisher scheinen mir sieben Modelle einschlägig zu sein: Gemeinwesenorientierung lässt sich 1. – von der alten Kirche herkommend – aus der ursprünglichen Einheit von Liturgie und Diakonie begründen, 2. durch die an der Theologie Johann Friedrich Wicherns orientierten Konzepte tätiger Nächstenliebe, sozialpolitischen Engagements und Orientierung am Sozialraum („Wichern eins bis drei“), 3. durch das Konzept der Compassion (Johann Baptist Metz), 4. Durch das Konvivenzkonzept (Theo Sundermeier), 5. durch das vertretene Konzept „Kirche für andere und mit anderen“ (Andreas von Maltzahn u.a.), 6. durch das inkarnationstheologische Modell (Ralf Kötter) und 7. durch die auf Johannes Calvin zurückgehende Lehre vom dreifachen Amt Christi und dem dreifachen Auftrag der Kirche. Keines dieser sieben Konzepte und Modelle schießt eines der anderen explizit aus. Jedes hat seine eigenen Stärken und Schwächen.
Siehe auch: Frank Martin Brunn, Von Compassion bis Konvivenz. Sieben theologische Begründungsmodelle für die Gemeinwesenorientierung von Kirchengemeinden und diakonischen Einrichtungen, in: Deutsches Pfarrerblatt 2/2018, 83-87; ders., Warum die kirchliche und diakonische Arbeit am Gemeinwesen orientieren? – Eine Erörterung aus ekklesiologischer Perspektive, in: A. Dietz, H. Höver u.a. (Hg.), Gemeinwesendiakonie und Unternehmensdiakonie, Berlin u.a. 2019 (im Druck).
Kirche und Öffentlichkeit aus raumtheoretischer Perspektive
Zur theologischen Begründung der Gemeinwesenorientierung gehört auch eine theologische Reflexion des Raumbegriffs. Hier stehen unterschiedliche Raumkonzepte zur Verfügung, die sich grob der Unterscheidung zwischen Containerraum und Beziehungsraum zuordnen lassen. Beide Modelle, Containerraum und Beziehungsraum, haben ihre Berechtigung und sollten nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern für die Reflexion der räumlichen Dimension der Kirche genutzt werden. Die Parochie als Zuständigkeitsbereich einer Kirchengemeinde lässt sich sinnvoll nach dem Containerraummodell beschreiben. Das Zusammenspiel unterschiedlicher Institutionen und Akteure im Zuständigkeitsbereich lässt sich sinnvoll nach einem Beziehungsraummodell beschreiben. Die große Stärke der raumtheoretischen Perspektive liegt in der Verbindung von Kirchentheorie und Ekklesiologie. Die Öffentlichkeit der Kirche ereignet sich im Beziehungsraum. Mit dem Begriff des Beziehungsraumes lässt sich beschreiben, wie die Kirche als Kommunikationsgeschehen Gestalt gewinnt, sowohl innerhalb als auch jenseits der Grenzen von Glauben und kirchlicher Mitgliedschaft.
Ländliche Räume und digitale Kirche. Der Bevölkerungsrückgang und der damit verbundene Rückbau von Infrastruktur in ländlichen Räumen führt zu einer Überdehnung der Versorgungsstrukturen, nicht nur aber auch in der Kirche. Während sich Überdehnungen im städtischen Bereich durch Schwerpunktsetzungen teilkompensieren lassen, ist das in ländlichen Regionen oft nicht möglich. Eine alternative Strategie zur Schwerpunktsetzung könnte darin liegen, sich die Verschränkung analoger und digitaler Kommunikationsformen verstärkt zu Nutze zu machen. Viele Menschen nutzen digitale Kommunikationsmedien. Sie erleichtern ein Zusammenkommen und eröffnen zwischen den oft viele Kilometer auseinander liegenden physischen Räumen digitale Räume. Bei allen Aufbrüchen geht es darum, sich mit anderen Akteuren in und außerhalb der Kirchengemeiden zu verbinden, um gemeinsam etwas für den Ort und die Region zu erreichen. Es geht um Konvivenz im ländlichen Raum.
Siehe auch: Frank Martin Brunn, Öffentlichkeit und Räumlichkeit — zwei anthropologische Dimensionen der Ekklesiologie, in: F. M. Brunn, Sonja Keller (Hg.), Raum, Kirche, Öffentlichkeit. Dynamiken aktueller Präsenz, Leipzig 2019 (im Druck).
Digitalisierung und Kirche in ländlichen und städtischen Räumen. Beiträge der Tagung „Weit entfernt und doch verbunden. Virtuelle Kirche in ländlichen und städtischen Räumen“, 5.-6. Mai 2017, Missionsakademie Hamburg, und des Fachtags „Digitaler Wandel. Das geht nie wieder weg“, 16. Mai 2017 Hamburg, epd-Dokumentaionen 5/2018.
Ländliche Räume und digitale Kirche
Der Bevölkerungsrückgang und der damit verbundene Rückbau von Infrastruktur in ländlichen Räumen führt zu einer Überdehnung der Versorgungsstrukturen, nicht nur aber auch in der Kirche. Während sich Überdehnungen im städtischen Bereich durch Schwerpunktsetzungen teilkompensieren lassen, ist das in ländlichen Regionen oft nicht möglich. Eine alternative Strategie zur Schwerpunktsetzung könnte darin liegen, sich die Verschränkung analoger und digitaler Kommunikationsformen verstärkt zu Nutze zu machen. Viele Menschen nutzen digitale Kommunikationsmedien. Sie erleichtern ein Zusammenkommen und eröffnen zwischen den oft viele Kilometer auseinander liegenden physischen Räumen digitale Räume. Bei allen Aufbrüchen geht es darum, sich mit anderen Akteuren in und außerhalb der Kirchengemeiden zu verbinden, um gemeinsam etwas für den Ort und die Region zu erreichen. Es geht um Konvivenz im ländlichen Raum.
Siehe auch: Digitalisierung und Kirche in ländlichen und städtischen Räumen. Beiträge der Tagung „Weit entfernt und doch verbunden. Virtuelle Kirche in ländlichen und städtischen Räumen“, 5.-6. Mai 2017, Missionsakademie Hamburg, und des Fachtags „Digitaler Wandel. Das geht nie wieder weg“, 16. Mai 2017 Hamburg, epd-Dokumentaionen 5/2018.
Forschungsprojekt Lexikon der Hamburger Religionsgemeinschaften
Mitte der 1990er Jahre veröffentlichte der Hamburger Praktische Theologe Wolfgang Grünberg (1940-2016) mit seinem Team an der Arbeitsstelle Kirche und Stadt das Lexikon der Hamburger Religionsgemeinschaften (Verlag Dölling und Galitz, Hamburg, 2. Auflage 1995). In den letzten Jahren kamen von verschiedenen Seiten Wünsche nach einer Neuauflage des Projekts. Die Pläne zur Realisierung einer Neuauflage gerieten aus finanziellen Gründen ins Stocken und warfen zwei grundsätzliche Fragen auf: 1. Ist ein solches Lexikon in Buchform angesichts digitaler Kommunikationsmedien noch zeitgemäß? 2. Überzeugt angesichts der gestiegenen Mobilität der Menschen eine Eingrenzung auf die Metropole Hamburg noch? Sollten nicht andere urbane Zentren und die Religionsgemeinschaften dort auch Beachtung finden? Diese Fragen erforderten eine konzeptionelle Neuausrichtung des Projekts.
In einer Reihe von Forschungsseminaren wird die 2. Auflage des Lexikons aktualisiert und in Form eines Wiki im Internet veröffentlicht werden. Der Untersuchungsraum beginnt mit Hamburg und kann später sukzessive weitere urbane Zentren einschließen. Aus dem Lexikon der Hamburger Religionsgemeinschaften wird so ein Hamburger Religionslexikon.
Das Projekt hat mit dem Wintersemester 2017/18 begonnen. Gemeinsam mit Studierenden werden Anlage und Inhalte des Lexikons auf Forschungsstand und Aktualität der Darstellung hin überprüft. Neuere Literatur und Quellen, z.B. im Internet und aus Interviews mit Vertreterinnen und Vertretern der Religionsgemeinschaften, werden ergänzt. Seit 1995 hat sich die Religionslandschaft in Hamburg verändert. Einige Gruppierungen sind inzwischen möglicherweise verschwunden. Neue Religionsgemeinschaften sind hinzugekommen. Darum werden fehlende Artikel, z.B. zu den Yesiden, erarbeitet und hinzugefügt. Finden sich bei den Recherchen Informationen zu den Religionsgemeinschaften, die über Hamburg hinausweisen, werden auch diese gesammelt. Zu allen erfassten Religionsgemeinschaften wird Kontakt aufgenommen und nach weiteren, bisher nicht vorliegenden Quellen gefragt. Ist die Recherche abgeschlossen, werden die gewonnenen Informationen und Bild und/oder Film-Materialien zu einem Lexikonartikel zusammengefasst und mit Quellenangaben und Verlinkungen in ein Wiki eingepflegt. Ziel des Wiki ist es auch, dass die Mitglieder der Religionsgemeinschaften die Artikel durch eigenes Wissen ergänzen können.
In den Forschungsseminaren werden die Studierenden an die wissenschaftliche Forschung herangeführt, üben kritische Informationsrecherche und das lexikonartige Zusammenfassen von Informationen ein und lernen etwas über die aktuelle religiöse Landschaft in Hamburg.
Das Institut für Lerndienstleistungen der Fachhochschule Lübeck unterstützt das Projekt durch Bereitstellung einer Wiki-Plattform.
Verantwortlich für das Projekt sind Prof. Dr. Ulrich Dehn und PD Dr. Frank Martin Brunn.