Bericht über die Friedensethik-Veranstaltung am 01.04.2022
5. April 2022, von Doris Franzbach
Friede schaffen ohne Waffen? Christliche Friedensethik auf den Prüfstand angesichts des Krieges in der Ukraine
Am Freitag, 01.04.2022, fand der Diskussionsabend mit 166 Teilnehmenden und 4 Gäst*innen statt.
Es diskutierten Luise Jarck-Alberts (Pastorin), Georgios Vlantis (orthodoxer Theologe), Dr. Hans Misselwitz (Biologe, Theologe) und Prof. Dr. Fernando Enns (Theologe) sowie die Moderatorin Dr. Maria Anne Subklew (Theologin).
Ausgelöst wurde der Abend nicht nur durch die schrecklichen Umstände in der Ukraine, sondern auch durch den Vorschlag des em. Ethik-Prof. Johannes Fischer aus Zürich mit seinem Vorschlag in „Zeitzeichen“ die EKD möge doch einen Paradigmenwechsel vollziehen. „Es ist dringend an der Zeit, dass die EKD ihre friedensethische Position neu überdenke.“
Herr Vlantis erinnerte daran, dass dieser Krieg uns zu selbstkritischen Auseinandersetzungen führen müsse: Welche Punkte haben wir ignoriert, welche Stimmen überhört – es ist Zeit die Welt an den Frieden zu erinnern. Zu massiven Aufrüstungen komme es aber nicht jetzt erst, sondern schon seit Jahren, doch jeder einzelne Krieg habe gezeigt, dass sich mit Gewalt kein dauerhafter Frieden schaffen lässt. Prof. Enns machte darauf aufmerksam, dass Gewaltfreiheit eine Haltung sei, eine christliche Identität, jeder Paradigmenwechsel sei damit aus christlicher Sicht unmöglich. Ebenso kritisierte er die halbherzigen Sanktionen weltweit. Man müsse erst einmal alle anderen Möglichkeiten durchdiskutieren, in Wirklichkeit sind aber in jedem Konflikt unsere einzige „Lösung“ Waffen. Es benötigt daher ein Umdenken, weg von dem schwarz-weiß denken, dass Frieden ohne Waffen nicht möglich sei, als gäbe es absolut keine Alternative. 40 Mio. Ukrainer*innen, welche zivilen Ungehorsam leisten und einen pazifistischen Widerstand vorantreiben, könne auch die größte Gewalt nicht aufhalten.
Hans Misselwitz schloss sich kritisch an, dass wir bereits auf ein Hochrüstungssystem zurückgreifen, was die Struktur des Konflikts selbst ist. Das ist die „Abschreckung“, die die Welt als Lösung hat. Ausbrechen aus der Kriegslogik, es gibt immer andere Alternativen!
Kriege hinterlassen Probleme, die lösen keine. Zum Schluss macht Vlantis deutlich, dass wir Ängste abbauen müssen – Wovor hat Russland Angst – wovor haben wir Angst? Außerdem habe allein diese Diskussion gezeigt, wie komplex Friedenstheologie ist, nun muss man an einer Versöhnungsarbeit arbeiten, denn das wird nun Jahrzehnte dauern! Wie können wir Frieden fördern? Das ist die Aufgabe der Kirche und die Verantwortung jedes einzelnen Christenmenschen.
„Die Medien liefern uns alte Geschlechterrollen: Die Frauen mit Kindern fliehen als Opfer. Die Männer kämpfen als Helden. Es gibt aber auch Widerstand unter Ukrainerinnen, die mit Soldaten sprechen, Essen verteilen und für den Pazifismus einstehen. Was wäre, wenn Selenskyj diese Bilder als Vorbild genutzt hätte und zum Frieden aufgerufen hätte?“ – Teilnehmerin
„Friedenschaffen mit Waffen ist unmöglich. Das kann nur von unten wachsen, nicht von oben nach unten.“ – ehemaliger Soldat im Krieg an der Front in Russland
NACHTRAG: Eine Folgeveranstaltung zu „Frieden schaffen ohne Waffen“ wird am 29. April 2022 stattfinden. Trotz zahlreicher Fragen nach einer Aufzeichnung der letzten Veranstaltung hatten wir uns aus atmosphärischen Gründen dagegen entschieden, werden dies aber für den 29. April erneut diskutieren. Sie werden gesondert eine Einladung erhalten.