Heilige Krieger, Klöster und DämonenNeue Förderrunde bei den studentischen Forschungsgruppen
28. Juli 2025, von Christina Krätzig

Foto: J. v. Kiedrowski
Welches Bild der christlichen Religion zeichnen Videospiele und Fernsehserien? Dies untersuchen drei Studierende der Universität Hamburg, die dafür auch zur größten Computerspielemesse der Welt in Köln reisen. Die Exzellenzuniversität Hamburg fördert sie als eine von neun Studentischen Forschungsgruppe in diesem Halbjahr.
Anderthalb Stunden verbringen Kinder und Jugendliche in Deutschland täglich mit Video-, Computer- oder Onlinespielen, zusätzliche zwei vor dem Fernseher. Christliche Elemente kommen in den dabei konsumierten Medienproduktionen häufig vor: Mittelalterliche Klöster oder Kathedralen fungieren als opulente Schauplätze, Priester und Nonnen gehören zum Personal und seltsam anmutende, häufig antiquierte kirchliche Rituale sorgen für Nervenkitzel.
„Nach unseren Erfahrungen als Konsumenten beziehungsweise als Konsumentin gehen wir davon aus, dass institutionalisierte Religion heute tendenziell negativ dargestellt wird“, erklärt der Theologiestudent Sebastian Ryterski, der sich seit seiner Schulzeit mit dem Thema beschäftigt. „Junge Leute haben wenig Vertrauen in institutionalisierte Machtstrukturen wie politische Parteien oder eben die Kirche, und so sind negative Figuren wie beispielsweise korrupte Priester längst zum Klischee geworden.“
Um seine These zu prüfen, will er gemeinsam mit Janos von Kiedrowski und Lisa-Marie Blume die beiden Videospiele „Blasphemous“ und „Baldur’s Gate“ unter die Lupe nehmen, dazu die TV-Serie „Good Omens“. Mit den gewonnenen Erkenntnissen wollen die Studierenden eine öffentlich zugängliche Datenbank aufbauen, die in den kommenden Jahren nach und nach erweitert werden soll.
Dass ein negatives Kirchenbild in Medienprodukten nicht zwingend zu einer grundlegenden Ablehnung der Institution Kirche führen muss, hat Ryterski selbst erlebt. Als Kind habe er kaum einmal einen Gottesdienst besucht und sei auch nicht konformiert worden, erzählt er: anders als die meisten seiner Kommilitoninnen und Kommilitonen sei er nicht christlich sozialisiert. Erst Computerspiele haben sein Interesse geweckt: „Irgendwann wollte ich in den Games vorkommende kirchengeschichtliche Ereignisse oder Begriffe wie beispielsweise `chalcedonisches Christentum´ einfach besser verstehen und habe mich unter anderem deswegen für das Studienfach Theologie interessiert.“
Er bezweifelt jedoch, dass sich andere Spielerinnen und Spieler ebenso sehr mit den religiösen Aspekten von Spielen beziehungsweise Filmen auseinandersetzen. Denn bei genauerer Betrachtung fungieren diese meist nur als Kulisse: Das Ausüben spiritueller Praktiken bleibt vordergründig, eine tiefere Auseinandersetzung mit religiösen Werten oder christlichem Leben wird nur selten gezeigt. „Wir vermuten, dass es den meisten Spielenden wichtiger ist, ob ein Game Spaß macht oder eine Serie gut unterhält“, so Ryterski.
Auf der Gamescom in Köln, der größten Videospielemesse der Welt, wollen die Studierenden Rezipientinnen und Rezipienten zu diesem Aspekt befragen, zudem planen sie Interviews mit Entwicklerinnen und Entwicklern. „Wenn wir länger an dem Thema dranbleiben, können wir mit den Jahren auch etwas über den Zeitgeist herausfinden“, hofft Ryterski. Denn auch die Themen in Videospielen oder die Welten, in denen sie angesiedelt sind, unterliegen Moden: Mittelalter, Fantasy, Science Fiction, zweiter Weltkrieg – alles kommt und geht. Religion werde derzeit wichtiger und könne künftig auch wieder positiver dargestellt werden, vermutet Ryterski – aber ob dies tatsächlich passiert, können erst die kommenden Jahre zeigen.
Die studentischen Forschungsgruppen werden aus Mitteln der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder gefördert.