Predigt zum Volkstrauertag, 18. Nov. 2018, über Offenbarung 2,8-11
in der Ev.-Luth. Kirche in Dassow, Nord-West-Mecklenburg
Frank Martin Brunn
8 Der Gemeinde in Smyrna schreibe: Das sagt der Erste und der Letzte, der tot war und ist lebendig geworden: 9 Ich kenne deine Bedrängnis und deine Armut – du bist aber reich – und die Lästerung von denen, die sagen, sie seien Juden, und sind’s nicht, sondern sind die Synagoge des Satans. 10 Fürchte dich nicht vor dem, was du leiden wirst! Siehe, der Teufel wird einige von euch ins Gefängnis werfen, damit ihr versucht werdet, und ihr werdet in Bedrängnis sein zehn Tage. Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben. 11 Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt! Wer überwindet, dem soll kein Leid geschehen von dem zweiten Tode.
***
Das sind Worte, liebe Schwestern und Brüder, die für Menschen geschrieben wurden, die wegen ihres Glaubens bedrängt, angefeindet und verfolgt werden. Vielleicht habt ihr auch in der letzten Woche die Geschichte von Asia Bibi gelesen. 2010 wurde sie in Pakistan in der Provinz Punja zum Tode verurteilt. Seitdem saß sie im Gefängnis. Fünf Kinder hat Asia Bibi. Sie ist Christin, wie ihre ganze Familie. Nach einem Nachbarschaftsstreit wurde ihr vorgeworfen, sie habe sich beleidigend über den Propheten Mohamend geäußert. Seit den 1980er Jahren steht auf Blasphemie in Pakistan die Todesstrafe.
Schätzungen zu Folge sitzen Pakistan etwa 40 Menschen wegen eines Blasphemievorwurfs lebenslang im Gefängnis oder warten auf ihre Hinrichtung. Das Todesurteil gegen Asia Bibi hatte international für Empörung gesorgt. Nun, nach acht Jahren, hat der Oberste Gerichtshof Pakistans das Urteil überprüft und Bibi mangels Beweisen freigesprochen. Auf ihre Freilassung hin demonstrierte ein aufgehetzter Mob in den Straßen. Sicher ist Bibi noch lange nicht. Sie und ihre Familie müssen sich verborgen halten, sonst werden sie gelyncht. Ihr Anwalt ist aus dem Land geflohen. Die Richter werden bedrängt.
***
Den Menschen, für die Johannes schreibt, sind solche Erlebnisse nicht fremd. Johannes schreibt in der Zeit des römischen Großreiches. Die römischen Kaiser ließen sich als Gott verehren, um ihre Macht besser durchsetzen zu können. Zur Lebenszeit Jesu war das noch nicht üblich. Aber in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts führten die römischen Kaiser den Kaiserkult ein. Ursprünglich stammt er aus dem Orient. Kaiserkult bedeutete, dass jeder dem Kaiser göttliche Verehrung entgegen zu bringen hatte. Dazu war regelmäßig ein Opfer vor dem Kultbild des Kaisers im Kaisertempel darzubringen. Wer sich dieser Pflicht verweigerte, galt als politischer Unruhestifter und wurde hart bestraft, mitunter hingerichtet. Juden und auch Christen verweigerten sich dem Kaiserkult. Es gab Verfolgungen. Die Juden wurden nach einiger Zeit vom Kaiserkult befreit, wenn sie an den Tempel in Jerusalem hielten. Eine solche Befreiung gab es für die Christen nicht. Und so gab es immer wieder örtliche Verfolgungswellen gegen Christen.
In einer solchen Verfolgungswelle wird Johannes auf die griechische Insel Patmos verbannt. Dort hat er eine Christusvision. Sie inspiriert ihn zur Niederschrift der Offenbarung. Er adressiert sie an die sieben Gemeinden in der Gegend, in der er zuletzt gelebt hat. Für jede der Gemeinden baut er Briefe in die Offenbarung ein. Unser Predigttext ist der Brief an die Gemeinde in Smyrna in Kleinasien. Smyrna, das heutige Izmir in der Türkei, war eine reiche Handelsstadt. Der christlichen Gemeinde scheinen aber keine der erfolgreichen griechischen und jüdischen Handelsleute beigetreten zu sein. Sie war arm – allerdings nur, das betont Johannes, an finanziellen Mitteln. In ihrem Glauben war sie reich.
Offensichtlich gab es einflussreiche Gegner der christlichen Gemeinde unter den Juden in Smyrna. Sie beriefen sich stolz auf ihr Judesein, lästerten in der Öffentlichkeit über die Christen und häuften Hohn und Spott auf sie. Wie schon Jesus kann auch Johannes in einem solchen Verhalten kein Judentum erkennen. Denn Lästern, Höhnen und Spotten widerspricht dem Liebesgebot. Deshalb bezeichnet Johannes diese Juden als „Synagoge des Satans“. - Eine scharfe Formulierung, die eine schreckliche Karriere in der Geschichte des Christentums gemacht hat. Sie wurde zu Unrecht und wohl auch gegen die Intention ihres Urhebers auf das Judentum als solches angewandt. Eins der vielen Beispiele, wie scharfe Formulierungen sich zu unheilvollen Redewendungen verselbständigen können. –
***
Den bedrängten Christen in Smyrna ging es letztlich nicht anders als Christus selbst. Auch Christus wurde verhöhnt und verspottet für das Evangelium, das er predigte. Und er wurde schließlich für seine Verkündigung getötet. Wie weit die Anfeindungen gegen die christliche Gemeinde also gehen können, weiß der Seher Johannes: Es kann zu Verhaftungen kommen und zu Todesurteilen.
Daran hat sich bis heute nichts geändert. Wenn sich extreme politische Gruppen einer Religion bemächtigen, predigen sie nicht selten Hass. Und wo ein Staat sie gewähren lässt oder gar selbst den Hass noch fördert, da zerbrechen oft die nur schwachen Grundlagen eines friedlichen Zusammenlebens. Nicht anders ist es, wo nationales Gedankengut zu Ideologien aufgeblasen wird. Auf einmal wird die Staatsangehörigkeit zum Bekenntnis und die Welt wird in schwarz und weiß aufgeteilt. Und genau wie beim religiösen Fanatismus gibt es ein Drinnen und Draußen: solche, die dazugehören, und solche, die man hinausdrängt, die man bekämpft, die Anderen, für die kein Platz sein soll, die verspottet werden, die angefeindet werden, die man bekämpft. Dann heißt es „America first“, oder Ungarn, Polen, Italien, Deutschland oder Dänemark zuerst. An die Ausgegrenzten und Bedrängten wendet sich Johannes. Mit der Stimme Jesu Christi mahnt er: „Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben.“
Christus soll uns Christen das Vorbild sein. So wie Christus trotz Anfeindung, Spott und Folter an seiner Verkündigung festgehalten hat, so soll es auch seine Gemeinde tun, alle, die an ihn glauben. - "Krone des Lebens": Das griechische Wort stephanon steht an dieser Stelle. Es wird meist mit Siegeskranz übersetzt. Ein Bild aus dem antiken Sport dafür, dass wer treu am Glauben festhält, den Hass der Fanatiker besiegt.
Johannes verspricht mit diesen Worten aber nicht einfach ein Happy End alá Holly Wood. Einen Tod muss auch sterben, wer an Christus glaubt. Aber es wird keinen ewigen Tod geben für diejenigen, die an Jesus Christus glauben. So wie Gott Christus von den Toten auferweckt hat, wird er auch jeden Christen auferwecken, der an der Verkündigung Jesu festhält.
***
Einige unter euch haben erlebt, wie es ist, wenn man wegen seines Glaubens staatlichem Druck ausgesetzt wird. Einige in unseren Gemeinden hier in Mecklenburg und Vorpommern wurden benachteiligt, weil sie sich für die Konfirmation entschieden hatten und gegen die Jugendweihe. Ich kenne leider die DDR-Geschichte von Dassow kaum. Von Pastor Wunderlich in Herrnburg ist überliefert, wie er Anfang der 1980er Jahre darum gekämpft hat, dass die ganze Gemeinde in der Kirche Gottesdienste feiern durfte. Die Kirche stand, genau wie eure Kirche, im fünf Kilometer breiten Sperrgebiet der innerdeutschen Grenze. Einige unter euch haben erlebt, wie die Siechenkappelle an der Bundesstraße nach Selmsdorf von den Grenztruppen abgerissen wurde. Vorgeblich, um Republikflüchtlingen kein Versteck zu bieten, aber doch auch aus Hass auf die Kirche.
Heute gibt es bei uns – Gott sei Dank! – keinen staatlichen Druck mehr gegen Christen. In anderen Ländern sieht es aber anders aus. In 46 Ländern gibt es Christenverfolgungen. Darunter sind Nordkorea, Afghanistan, Somalia, Sudan, Pakistan, Saudi-Arabien, Jemen, Irak, Iran, Indien, Ägypten und China. Weltweit werden 200 Millionen Christen verfolgt.
Wir müssen dankbar sein für die Religionsfreiheit und Meinungsfreiheit, die wir genießen! Selbstverständlich ist das nicht. Zwei Weltkriege mussten verloren gehen und zwei Diktaturen zusammenbrechen, bis wir Deutschen für diese Freiheit bereit waren. Da gibt es keinen Grund, stolz zu sein und auf andere herabzusehen. Wir haben allen Grund dankbar zu sein, dass wir diese Freiheit erleben dürfen. –
***
„Sei getreu bis in den Tod!“ war ein beliebter Bibelvers im ersten Weltkrieg. Auf Feldpostkarten wurde er gedruckt, zuweilen mit einem Bild, auf dem ein Soldat sterbend im Schützengraben liegt und Christus in einem Lichtstrahl an ihn herantritt. – So verführte man Soldaten. Aus der Treue zum Glauben an Gott, hatte man die Treue zum Glauben an das Vaterland gemacht und sie in den Tod geschickt. Auch das Christentum ist nicht davor gefeit, in eine mörderische Ideologie verkehrt zu werden. Das hat der erste Weltkrieg gezeigt, dessen Ende am letzten Wochenende gedacht wurde.
Dass die Treue zum Glauben wirklich eine Treue zum Glauben an den einen Gott ist, der sich in Jesus Christus offenbart, und nicht eine Treue zu einer irgendwie christlich ummäntelten Ideologie, das zeigt sich nicht zuletzt im Umgang mit denen, die nicht dazugehören, den Fremden und den Ausgegrenzten. Jesus ging zu ihnen hin, zu denen, die nicht dazugehörten, zu den Ausgegrenzten. Wo wir andere ausgrenzen, sind wir nicht treu in unserem Glauben. Die Krone des Lebens ist uns verheißen. Im Glauben an Jesus Christus finden wir die Gemeinschaft mit Gott, die uns durch den Tod hindurch trägt zum ewigen Leben.
***
Wenn wir heute der Kriegstoten gedenken, vielleicht auch nachher auf dem Friedhof, dann nicht nur der Kriegstoten der beiden Weltkriege, sondern auch all der anderen Kriege, die auf der Welt geführt werden. Ein Zeichen des Friedens soll es sein. Es geht nicht um die Treue zum Vaterland, nicht um die Treue zum Volk oder der Nation. Es geht um die Treue zum Glauben an den einen Gott, der uns in Jesus Christus begegnet, der Frieden will und der uns, wenn wir ihm nachfolgen, zum ewigen Frieden führt. Amen.